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Schulreife bedeutet MÜSSEN und FÜGEN!

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Heute muss ich mir etwas von der Seele schreiben! Das ich vom deutschen Schulsystem nicht sonderlich begeistert bin, habt ihr sicherlich alle schon mitbekommen. Nun hat sich ein weiteres Steinchen zu meiner Meinung hinzugefügt, welches diese verfestigt:

DIE SCHULUNTERSUCHUNG


Schon als das Schreiben bei uns eintraf und ich das beiliegende Formular durchlas, fragte ich mich was das hier soll. In diesem Formular wurden Dinge abgefragt, natürlich wären es freiwillige Angaben, bei denen ich den Sinn nicht verstand. Also den Sinn, inwiefern diese Antworten einen Rückschluss auf die Schulreife geben soll. Ihr werdet sehen, im Laufe meines Artikels wird das Wort Sinn, noch einige Male fallen. Denn der Sinn scheint mir in einigen Teilen der Schuluntersuchung absolut verloren gegangen zu sein.

Ich will nicht abstreiten, dass einige Fragen dieses Formulars durchaus wichtig sind, für eine gute Einschätzung der Schulreife oder des vielleicht notwendig werdenden Förderbedarfs um die Schulreife bis zur Einschulung zu erreichen. Angaben zu vorhandenen bisherigen Fördermaßnahmen wie Logopädie, Ergotherapie usw. finde ich sinnvoll. Auch ob es schwerwiegende Erkrankungen gibt oder Unfälle, Medikamente eingenommen werden müssen oder ob Störungen in Sprache, Hör- oder Sehfähigkeit vorliegen usw. Dann aber kommen "Persönliche Besonderheiten", die von den Eltern angekreuzt werden sollen, die in meinen Augen einfach völlig subjektiv sind.

Ungeschicklichkeit, ab wann trifft das zu? Oder Ängstlichkeit? Konzentrationsschwäche? Bewegungsunruhe? 

Sind Kinder nicht gerne in Bewegung? Manche würden schon das übliche Gezappel am Tisch als Unruhe bezeichnen oder das "Überhören" der Eltern als Konzentrationsschwäche... "hab ich dir nicht eben etwas gesagt?"... 

Was mich aber wirklich schockiert hat, war der Bereich "Schwangerschaft, Geburt, Entwicklung". Hier sollte ich nun schildern, ob es Probleme bei Schwangerschaft und Geburt gab... das sind in meinen Augen sehr persönliche Angaben und hier stellt sich mir die Frage, was hat dies mit der Schulreife zu tun? Weiter geht es mit genauen Angaben darüber ab wann das Kind frei laufen konnte, ab wann es die ersten Worte sprach und dann die ersten Sätze und das bitte in Angaben von Monaten... auch hier frage ich mich.... was soll das? Hat 1 Monat hin oder her, irgendwelche Einflüsse auf die Schulreife oder ob mein Kind später ein kleiner Überflieger wird? Abgesehen davon hätte ich nicht einmal mehr sagen können, ab wann das erste Wort oder der erste zusammenhängende Satz entstanden ist... ich Rabenmutter. Ob das Kind laufen oder/und sprechen kann, sieht der Schularzt doch dann, wenn das Kind die Tür hereinkommt und dann während der Untersuchung eine Unterhaltung angeregt wird... wenn...

Aber für mich mein persönlich größter Aufreger war dann noch die Angabe, ab wann mein Kind tagsüber ohne Windel war und ab wann Nachts. Was wollen sie damit herausfinden? Wenn die Kinder zur Schuluntersuchung in der Regel über 5 sind, wird der größte Teil keine Windel mehr anhaben und wenn da wirklich noch vereinzelt Kinder mit Windel sind... vielleicht auch nur für die Nacht, ich weiß nicht ob die Eltern das wirklich zugeben, aus Angst vielleicht damit die Schuleignung zu gefährden. Und ob das Kind Nachts noch Windel benötigt, hat auf die Schule, die tagsüber stattfindet nun keinen Einfluss. Vielleicht ist hier jemand der mir das alles aus ärztlicher Sicht erklären kann. Ich jedenfalls habe alles zu einer großen Klammer zusammengefasst und "der Norm entsprechend" eingefügt. 
Um es vorweg zu nehmen, das Formular schien überhaupt nicht richtig durchgelesen worden zu sein, denn während der Untersuchung wurde ich mehrfach Dinge gefragt, die eigentlich darin standen und von der Schulärztin in ihr Formular hätte übernommen werden können. Auch dieser Fakt ärgerte mich. Für was habe ich dieses Formular überhaupt ausgefüllt? Ging es im Grunde nur um irgendwelche statistischen Erhebungen? Wollte jemand auf dem aktuellen Stand sein, über die Entwicklung der Kinder? "Hilfe, sie sind nun erst 2 Monate später tagsüber trocken?"

DIE EIGENTLICHE UNTERSUCHUNG


Nun rückte der Tage der Schuluntersuchung immer näher und mein Sohn freute sich sehr darauf. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Schulkind... zum großen Kind sein. Nicht mehr das kleine Kindergartenkind, sondern er will Schulkind sein. Wir liefen also voller Vorfreude dort hin und mussten auch nicht lange warten.
Der erste Teil begann bei einer Dame mit dem Hör- und Sehtest, Mengenwahrnehmung, der Wahrnehmung im Allgemeinen usw. Der Sohn hatte sichtlich Spaß und machte gerne mit. Als dies beendet war, sollten wir im Flur wieder warten, auf die eigentlich Untersuchung bei der Schulärztin.

Das dauerte dann doch etwas und dem Sohn wurde langweilig. Als es dann endlich soweit war, ließ er sich direkt auf die Begrüßung durch die Ärztin ein und marschierte vor mir ins Zimmer hinein. Wer meinen Sohn kennt, weiß, sowas wäre vielleicht noch vor einem Jahr undenkbar gewesen. Unbekannte Menschen, unbekannte Räumlichkeiten, unbekannte Situation...

Jedenfalls legte die Ärztin nach kurzer Einleitung Bilder vor, die der Sohn so genau wie möglich abmalen sollte und als er dies getan hat, fragte sie ihn, ob er auch seinen Namen schreiben kann, was dieser auch direkt tat. Als der Sohn fertig war, nahm die Dame das Blatt ohne weiteren Kommentar und schob es in ihren Stapel und fragte dann, ob mein Sohn denn die Geschichte vom "Faulen Hund" kennt. Mein Sohn schüttelte den Kopf und sie begann:

Der faule Hund ist der Stift und dieser liegt immer gerne faul in der Kuhle zwischen Daumen und Zeigefinger. Damit er da nicht runterfällt muss er vom Daumen und Zeigefinger festgehalten werden. Aber das reicht nicht, zur Unterstützung brauchen Daumen und Zeigefinger noch den Mittelfinger, der den Stift von unten hält.
Aber der Stift ist nicht nur faul, sondern auch ganz verfressen und daher hält er mit Ringfinger und kleinem Finger immer ein Gummibärchen fest, falls er mal Hunger bekommt.

Nachdem sie geendet hat und ich schon gesehen habe, wie mein Sohn immer weiter zurückwisch während dieser "wunderschönen" Geschichte, sagte sie ihm, dass sie gesehen hat er hält den Stift nicht, wie sie es gerade in der Geschichte beschrieben hat und ob er ihr mal zeigen könnte, wie es richtig geht... mein Sohn wisch gefühlt noch weiter zurück und schüttelte nur den Kopf. Sie löcherte ihn noch, ob er es nicht einfach mal probieren will, schaute mich dabei an und kritzelte dann genervt etwas in ihr Formular. Da musste ich dann zum ersten Mal tief atmen... fauler Hund... was soll das? Faul ist ein sehr negatives Wort! Meint die Ärztin, Kinder lieben doch Geschichten, also erkläre ich die Stifthaltung so? Hätte es nicht einfach gereicht zu erwähnen, ich sehe das und das und damit kannst du bisher auch ganz toll malen und schreiben, aber für die Schule wird es später hilfreich sein, den Stift so und so zu halten und üb das mit deiner Mama dann einfach mal daheim. 
Der Sohn ist nach der Untersuchung, auf dem Heimweg, völlig entrüstet gewesen, so überfahren worden zu sein und wird auf keinem Fall den Stift anders halten und üben. Für ihn ergab das keinen Sinn, er konnte doch alles was sie von ihm wollte, warum daran etwas ändern? Die Argumentationskette mit dem faulen Hund erschloss sich ihm nicht.

Dann kamen viele weitere Übungen, zur Logik, Wahrnehmung, Sprachgebrauch... alles kein Problem und der Sohn machte gerne mit. Das alles war für ihn auch sehr einfach und er schaute mich auch zwischendurch an, was die einfachen Fragen denn bitte sollen.

QUATSCHWÖRTER OHNE SINN


Nun sollte er Quatschwörter nachsagen. Sie sprach "Lomalu" und mein Sohn schaute die Ärztin an als sähe er einen Geist. Sie wiederholte und wollte das er nachsprach. Ich mischte mich dann ein und sagte meinem Sohn, dass die Wörter überhaupt keinen Sinn ergeben, er darüber nicht nachdenken brauche und die Ärztin nur wissen will, ob er sie gut hört und er das nachsprechen kann. So sprach er als "Lomalu" nach. Das zweite Wort hieß so ähnlich wie "Nametula". Wieder schaute er völlig verständnislos und dann verweigerte er. Lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. Die Ärztin meinte, wie das denn in der Schule funktionieren solle, wenn er nicht mitmacht? Wie soll die Lehrerin wissen, ob er es verstanden hat? Ich hätte gerne eingeworfen, wieso man dann solche zusammenhanglosen Silbenanreihungen verwendet, anstatt wirkliche Quatschwörter, welche die Kinder gerade im Kindergartenalter total gerne selbst kreieren? Wörter ohne Sinn können nicht "verstanden" werden und ich sehe eben nicht, ob damit später ein Inhalt im Unterricht wirklich verstanden wird, sondern nur ob ich alles kopieren kann, was mir gesagt wird.

Ich atmete weiter... Darauf folgte nun die Ansage, dass der Sohn sich bitte auszieht, bis auf die Unterhose, das könne er da vorne tun und auch alleine, denn schließlich wird in einem Jahr auch keine Mama in der Schule mit dabei sein, um ihm helfen zu können. Ich rollte mit den Augen und dachte nur "Tschaka", genau die richtigen Worte gewählt, um meinen Sohn weiter anzuspornen... NICHT! Er trottete dorthin und begann sich im Schneckentempo auszuziehen und schaute flehend zu mir herüber. Als er dann wieder zu mir kam, bin ich einfach mit, stellte mich neben ihm und sagte ihm, dass ich weiß, er schafft das und ich bei ihm bleibe. So klappte dann auch das Ausziehen und die Untersuchung. 

Als allerletzte Übung sollte er dann seitwärts mit geschlossenen Beinen hin- und herhüpfen auf Zeit. Er schüttelte wieder den Kopf und machte nicht mit! Wieder schaute die Ärztin genervt und fragte nach, warum denn nicht. Der Sohn sagte er wäre müde.

MIT DIESER EINSTELLUNG WIRD DAS NICHTS IN DER SCHULE!


Während der Sohn sich dann wieder anzog, füllte sie ihr Formular weiter aus und erklärte, dass sie nun eine Einschätzung für die Schule abgeben wird. Zudem gibt sie uns mit, was sie eigentlich allen Kindern und Eltern mitgibt, weiterhin die Stifthaltung zu üben und viel zu malen. Vor allem Abzumalen. Z.B. das Haus vom Nachbar, so detailreich wie möglich, denn das wäre für die Schule ja wichtig, alles genau aufnehmen zu können und dann aufzuschreiben bzw. abzuschreiben.... ja, ich weiß, dachte ich mir: Abschreiben und Auswendiglernen, ob es verstanden wurde oder nicht...
 
Zum Abschluss schaute sie mich dann direkt an und meinte: "Ihr Kind ist schulreif, aber mit dieser Einstellung wird das in der Schule nichts!"

Bähm! Das hat gesessen und das vor meinem Kind, welches sich gerade neben mir anzog. Ich war völligst vor den Kopf gestoßen. Was für eine empathielose Frau! Vielleicht meinte sie es in ihrer Funktion als Rädchen im Schulsystem wirklich nur gut, denn es ist leider so. Es geht in der Schule um das Fügen und Müssen. Wer hier verweigert, wird sich schwer tun und anstoßen. Aber dies ist genau das was ich so sehr bemängele daran! Alles was mein Sohn im Grunde während der Untersuchung an toller Leistung gezeigt hat, wie einfach er sich mit den anderen Übungen tat und wie kooperativ er dabei war, zählte nichts, da er bei drei Kleinigkeiten, deren Sinn sich für ihn nicht erschloss, nicht mitmachte! Das ist unser Schulssystem!

WENN KINDERN SCHON DIE FREUDE GENOMMEN WIRD!


Mein Sohn, der sich auf die Schuluntersuchung freute, ging völlig außer sich nach Hause. Schimpfte auf die Schulärztin, sah selbst nicht mehr, wie toll er alles andere gemacht hatte, obwohl ich ihn immer wieder daran erinnerte und ihm beipflichtete, dass die Quatschwörter völlig bescheurt waren. Er wurde so sehr auf seine "Fehler" hingewiesen, dass das was er konnte, an Wert verloren hatte. Er konnte sich in dem Moment nicht mal darüber freuen, dass er doch als schulreif eingestuft worden ist, also das was er schließlich erreichen wollte.

Er sagte dann zu mir: "Weisst du Mama, die erste Frau, die war charmant und nett, dort durfte ich mitmachen. Bei der Schulärztin MUSSTE ich mitmachen, darauf hatte ich keine Lust."

Der Sohn hat also sehr schnell diesen kleinen und feinen, aber sehr entscheidenden Unterschied erkannt. Diesen Unterschied, der unsere Schulpflicht so sehr prägt! MÜSSEN! MÜSSEN! Ohne unsere Kinder wirklich miteinzubeziehen, ohne deren Talente und Interessen wirklich wahrzunehmen. Sie MÜSSEN in die Schule und sie MÜSSEN den Lernstoff dann lernen, wenn er nun so im Lehrplan steht. Punkt!

Wir sind nun also mittendrin angekommen im deutschen Schulsystem-Hamsterrad und MÜSSEN uns FÜGEN!

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